Steal like an artist*

Ist Klauen unmoralisch? Ist es eine Ehre kopiert zu werden?

 

Dazu muss man ein wenig ausholen. Die meisten Bild-Ideen sind Neukombinationen oder Neuinterpretationen von bestehenden Werken**. Als Auslöser sind meist verschiedene Faktoren beteiligt.

 

 Das Porträt der Künstlerin als heiliger Georg im Kampf gegen die missratenen Entwürfe mag das exemplarisch zeigen.

In diese Zeichnung sind eingeflossen:

  • Eine neue Schachtel mit Künstler-Farbstiften, die ungewöhnlicherweise rund sind, statt sechseckig und das damit Rumspielen und Ausprobieren (Auslöser)
  • Die Werke von Christoph Niemann (Sunday Sketching), in denen er mit Kombinationen von fotografierten Gegenständen und gezeichneten oder mit Pinsel gemalten Illustrationen spielt (vorhandene Werke)
  • Der Gedanke, Farbstifte könnten auch ein Pfeil, eine Lanze, Esstäbchen etc. sein, worauf ich zu diesen Verwendungen verschiedene kleine Skizzen machte (Umdeutung von Bestehendem)
  • Vermutlich der Lanze wegen, fiel mir der heilige Georg als Drachentöter ein (Assoziation)
  • Die gezielte Suche nach Bildern, um zu sehen, wie diese Figur in der Kunstgeschichte dargestellt wurde. Am besten geeignet für meine Zwecke war eine Briefmarke der Deutschen Bundespost. (Neuinterpretation eines vorhandenen Werkes)

Aus all dem ist in mehreren Schritten und Versuchen das Bild der Künstlerin, die mit ihrem Farbstift zerknüllte Entwürfe besiegt, entstanden. Aus dem siegreichen Kampf des Christentums (Georgs) gegen das lebensverschlingende Böse (den Drachen) wurde mein mit leichter Hand und Bildwitz gezeichneter Sieg über Selbstzweifel und die Versuchung aufzugeben.

 

* "Steal like an artist" ist der Titel der englischen Ausgabe von Austin Kleons "Alles nur geklaut", in dem er sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigt. Laut ihm gibt es das stilvolle Klauen, bei dem es sich eher um eine Hommage und Weiterentwicklung handelt (unter Angabe der Quellen). Als stilloses Klauen bezeichnet er das Plagiat, d.h. das Werk eines anderen eins zu eins zu kopieren und als eigenes auszugeben.

 

** Seltener sind wirklich ungewöhnliche Ideen, für die es keine rationale Erklärung gibt. Sie verändern manchmal die Welt. Voraussetzung, um sie als solche zu erkennen, sind meist jahrelange Expertise und Übung auf dem jeweiligen Gebiet. Dann muss man ihnen noch zum Durchbruch verhelfen, was gute Verbindungen, Ausdauer und Glück erfordern kann.